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St. Peter u. Paul – Mutterkirche von Zürich

«Zwischen Langstrasse und Bahnhofstrasse» – so lässt sich für Zürcherinnen und Zürcher das Territorium der Pfarrei St. Peter und Paul am einfachsten beschreiben, auch wenn selbstverständlich das Altstadtquartier zwi­schen Bahnhofstrasse und Limmat eben­falls dazugehört. Diese beiden Strassen stehen gleichermassen für die Herausfor­derungen und Spannungen, in denen die heutige Pfarrei St. Peter und Paul steht: Multikulturalität und Globalisierung, Reich­tum und Wohlstand, aber gleichzeitig auch Vereinsamung, Armut und prekäre Lebens­situationen.

Verschiedenste Arbeits- und Lebenswel­ten – von den grossen Geldinstituten über Start-ups, nachhaltige Projekte, Büros der Stadtverwaltung, bis hin zu Rotlichtmilieu und Drogenszene – prägen das Gebiet un­serer Pfarrei. Viele Menschen leben hier: Junge, Singles und Familien, aber auch alt­eingesessene Aussersihler, die hier geboren wurden, oder die in jungen Jahren wegen der Arbeit oder der Liebe nach Zürich kamen und die nun alt wurden in diesem Sprengel, der zum Kreis 1 und zum Kreis 4 gehört.

Viele, aber bei weitem nicht alle Bewoh­nerinnen und Bewohner – ja noch nicht einmal die Mehrheit – gehören zur Pfarrei St. Peter und Paul, denn auch im religiösen und weltanschaulichen Bereich zeigt sich die Vielfältigkeit der Lebenswelten. Nicht zuletzt die Nachbarschaft zu verschiedenen jüdischen Synagogen prägt das Bild des Quartiers. Wahrscheinlich gehören für die Mehrheit der Bevölkerung religiöse Vorstellungen nicht mehr zu ihrem Weltbild. Trotzdem versteht sich die Pfarrei St. Peter und Paul allen Menschen zugehörig, denn «Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Men­schen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jüngerin­nen und Jünger Christi» (Zweites Vatikani­sches Konzil: Gaudium et Spes 1). Mit ihnen zusammen wollen wir Leben gestalten. Allen, die interessiert sind, stehen die Türen der Kirche offen – nicht nur zum Gottes­dienst, sondern auch zum persönlichen Beten oder einfach zum stillen Verweilen ausserhalb des manchmal hektischen Le­bens in der Stadt.

Zur Geschichte unserer Kirche

Die Kirche St. Peter und Paul ist nicht leicht zu finden, denn der sechzig Meter hohe Kir­chenturm ist kaum höher als die umgebende Überbauung und weit niedriger als das Hochhaus der Stadtverwaltung in direkter Nachbarschaft. Neben diesem wirkt die Kir­che fast bescheiden – und das trifft auch das Selbstverständnis der Pfarrei, die diesen Ort der Gottesbegegnung in Gebet und Gottes­diensten selbstbewusst, aber nicht triumphalistisch gestalten will.

Das war noch anders, als 1896 der Turm mit der eindrucksvollen und von zahlreichen Figuren der Heils- und Kirchengeschichte gegliederten Fassade vollendet wurde. Er überragte die grossteils drei- bis vierstöcki­gen Baumeisterhäuser, die von Arbeitern und Handwerkern bewohnt wurden. Die Kirchgemeinde konnte die damals bedeu­tenden Zürcher Architekten Alfred Chiodera und Theophil Tschudy gewinnen, die heute nicht zuletzt durch die Synagoge in der Löwenstrasse, die Villa Patumbah auf der anderen Seeseite und das Schauspielhaus bekannt sind.

Als der Turm errichtet wurde, stand die Kirche St. Peter und Paul allerdings schon mehr als 20 Jahre. 1874, nach nur einem Jahr Bauzeit, konnte dieser einfache Saalbau im Stil der Neugotik eingeweiht werden. Erbaut worden war er vom Baumeis­ter Rudolf Gottlieb Gull, dem Vater des er­folgreichen Zürcher Architekten Gustav Gull. Der schlichte Bau fügte sich damals – nicht zuletzt aus finanziellen Gründen – harmo­nisch in die Überbauung ein. In einem Gut­achten aus dem Jahr 1970 spricht Adolf Reinle von einem «bettelordenhaften Habi­tus» der Kirche, «von einfachen Leuten, von einem opferfreudigen Pfarrer […] zusam­mengebettelt».

Auch der Anlass zum Bau der Kirche gab wenig Grund zu einer triumphalen Architek­tur. Die lange Geschichte, die hinter allem steht, beginnt im Jahr 1525 mit der Abschaf­fung der katholischen Messe in Zürich durch die Reformation. Nachdem zunächst Zürcher Anhänger des «alten Glaubens» in den Aargau oder die Innerschweiz zur Messe gingen, wurde sogar dies 1529 unter Strafe gestellt. Über Jahrhunderte blieb die Messe nach dem katholischen Ritus in Zürich verboten.

Dies änderte sich 1798 aufgrund der Be­satzung Zürichs durch österreichische Trup­pen im Kampf gegen die Franzosen. Mit Pater Paul Styger predigte zum ersten Mal seit der Reformation ein katholischer Priester von der Kanzel des Grossmünsters, und in der Predigerkirche wurde täglich eine Messe gefeiert. In diesen Wirren um die Helvetische Republik (1798) und die Mediationsakte (1803), konnten Soldaten katholischer Her­kunft, die entweder als Besatzer oder als Alliierte in Zürich weilten, die Messe feiern. Ab 1804 geschah dies dann in der damals vor den Stadtmauern gelegenen St. Anna- Kapelle in der Nähe der heutigen Bahnhof­strasse. Die Mediationsakte regelte, dass die Ver­treter der Kantone sich jedes Jahr abwech­selnd in einer der bedeutenden Städte der

Schweiz zur Tagsatzung treffen sollten. Als diese 1807 in Zürich stattfand, konnten die katholischen Vertreter im Chor des Fraumünsters die Messe feiern. Auch nach der Tagsatzung wurde zunächst das Fraumünster für katholische Gottesdienste jedenfalls am Sonntag weiterbenutzt. Im September des­selben Jahres wurde die St.-Anna-Kapelle den Katholiken schliesslich dauerhaft für den Gottesdienst überlassen. Es war dies auch die Geburtsstunde der ersten katholischen Pfarrei in Zürich nach der Reformation. 1838 erhielten die Katholiken einen eige­nen Friedhof mit der St.-Jakob-Kapelle als zweitem Kirchenraum, nicht weit weg von der heutigen Kirche St. Peter und Paul. 1844 schliesslich konnte der Bischof von Chur die ehemalige Augustinerkirche – nun innerhalb der Stadtmauern von Zürich – als katholische Kirche weihen. Sie war grösser und repräsentativer als die St.-Anna-Kapelle und diente fast 30 Jahre als Pfarr­kirche.

1873 beschloss die Mehrheit der Mitglie­der der katholischen Kirchgemeinde Zürich, das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes von 1870 nicht anzuerkennen und sich von Rom abzulösen. Die romtreuen Katholiken muss­ten auf Anordnung des Bischofs von Chur die Augustinerkirche der christkatholischen Ge­meinde überlassen und in der Folge nach einem neuen Ort für den Gottesdienst suchen. Diesen fanden sie in Aussersihl, wo im selben Jahr mit dem Bau der «Armeleutekirche» be­gonnen wurde. Ganz bewusst wurde das be­reits 1874 vollendete neue Gotteshaus unter das Patronat der Heiligen Petrus und Paulus gestellt. Dadurch drückte man die besondere Verbundenheit mit Rom und dem Papst aus. St. Peter und Paul wurde als einfache lange Saalkirche inmitten der Häuser des Quartiers erbaut. Nur der polygonale Chor und der Giebel am Eingang mit seinem klei­nen Dachreiter waren etwas aufwändiger gestaltet. Insbesondere der Chor, die Schab­lonenmalerei der Decke, die Kanzel von 1874 und die 1875 aufgestellten Seitenaltäre be­dienten sich des in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bei Kirchenneubauten üb­lichen und als angemessen geltenden neu­gotischen Stils. Aus finanziellen Gründen konnte der Innenraum erst nach und nach aufwändiger – ebenfalls neugotisch – aus­gestattet werden. Höhepunkte waren der Aufbau des Hochaltars aus der Werkstatt des Bildhauers Schnell aus Ravensburg (D) im Jahre 1884 und der Einbau einer Orgel der Firma Goll aus Luzern 1891.

Das neugewonnene Selbstbewusstsein der katholischen Kirche in Zürich zeigte sich dann 1896, als St. Peter und Paul um drei Joche er­weitert und durch die renommiertesten Archi­tekten des damaligen Zürichs – Chiodera & Tschudy – um einen 60 Meter hohen Turm er­gänzt wurde. Es ist diese eindrucksvolle neu­gotische Turmfront mit dem Hauptportal, die den Besucher oder die Besucherin der Kirche heute empfängt. Das bescheidene Hauptpor­tal des ersten Baus von 1874 wurde als Zu­gang zur Empore auf der rechten Seite der Kirche im ersten Joch wieder eingesetzt. Auch wenn die Einrichtung der Kirche sich im Laufe der Jahre kaum änderte, so passte man doch die Gestaltung der Decke, der Wände und der Fenster mehrmals dem Zeit­geschmack an. War die Kirche ursprünglich reich ausgemalt (Abb. oben links), so wurden bei der grossen Renovation 1944 die Fenster im Chorraum durch zeitgenössische ersetzt und die bunte und reich verzierte Bemalung der Wände und der Decke im Sinne «einer gewissen modernen Sachlichkeit» (Zitat aus einem damaligen Beitrag zur Renovation) weiss überstrichen. Erst die Sanierung von 1979/80 brachte wieder eine an der ursprünglichen Farbfassung ori­entierte Gestaltung des Innenraums.

Siehe auch KATHOLISCHE KIRCHEN DER STADT ZÜRICH (St. Peter und Paul, S. 173 ff.)

Unsere Pfarrei auf Wikipedia

Innenansicht der Kirche um 1900, 1924 und 1945

Martin Conrad

Theologe und Seelsorger